Farblos und kein Plan B
Leica Q2Monochrom
My guest article about bnw photography and Leica Q2M published in the Le Magazin 007
Iso 10000 - F 5.6 - 1/500sec

Seit fast zwei Jahren bin ich jetzt hauptsächlich mit der Leica Q2 Monochrome (Q2M) auf der Straße unterwegs. Haptik, Bedienung, der großartige Sucher, 28mm bei Blende 1.7… das alles mag ich gerne leiden. Der Autofokus ist mehr als brauchbar und sogar die Serienbildfunktion ist gut nutzbar. Über den Preis darf man sich natürlich keine wirklichen Gedanken machen. Der ist halt einfach so und es lohnt auch nicht darüber zu diskutieren.
Aber um Leica und technische Feinheiten soll es in diesem Artikel gar nicht gehen, sondern mehr um die Faszination und das Gefühl mit einer Monochrom Kamera zu arbeiten. Da aber kein anderer Hersteller (leider) einen reinen Schwarzweiß-Sensor anbietet, geht es eben auch nicht ganz ohne die deutsche Traditionsmarke.
Doch nochmal ein wenig zurück. Seit 2012 erstmals eine Leica M Kamera mit Monochromsensor vorgestellt wurde, war ich von dem Konzept total fasziniert. Denn meine Leidenschaft ist einfach die Schwarzweißfotografie. Und so hatte ich über 10 Jahre lang in regelmäßigen Abständen immer wieder dieses „Haben-Wollen“ hartnäckig im Nacken gespürt bis die Vernunft endlich auf- und ich nachgab.
Rational gibt es wohl nur wenig Gründe mehr Geld für etwas zu bezahlen, das eigentlich weniger kann. Denn durch den fehlenden RGB-Farbfilter werden keinerlei Farbinformationen aufgenommen, sondern jeder einzelne Pixel erfasst ausschließlich die Helligkeitswerte. Die Kamera produziert also wirklich nur Bilddateien in Schwarzweiß.
Beim Fotografieren selbst fühlt man sich sofort ein wenig in die Filmzeit zurückversetzt. Man musste sich früher ja auch vorher entscheiden ob man jetzt den Farb- oder den Schwarzweißfilm in die Kamera einlegt. Es gibt sozusagen kein zurück. Und genau dieser Charm schwingt beim Fotografieren ständig ein mit. Macht den Umgang mit der Kamera ein wenig mehr besonders. 
Will ich das bei einer anderen Kamera simulieren, kann ich diese natürlich auf JPEG stellen und ein Schwarzweiß-Profil benutzen. Aber auch das ist jederzeit wieder änderbar. Außerdem „verschenkt“ man auch noch den Bearbeitungsspielraum des RAW-Bildes.
Und genau diese Konsequenz macht für mich den Unterschied und damit den Reiz der Monochrom aus. Ich kann nicht umstellen, egal was passiert. Farbe ist einfach ausgeschlossen!
Ein wirklich toller Nebeneffekt der dadurch entsteht, ist die pi mal Daumen um 2 Lichtwerte gesteigerte ISO Leistung. War ich sonst bei modernen Kleinbildsensoren bis ISO 6400 glücklich, so habe ich nun den Begrenzer auf ISO 25000 bei gleicher Qualität stehen. Dabei fällt mir nicht nur das sehr dezente und angenehme Rauschen auf, vielmehr ist die Detailwiedergabe in schummriger Umgebung wirklich herausragend und viel weniger verwaschen. Außerdem ermöglichen solche ISO-Zahlen gerade bei Dunkelheit noch schnelle Verschlusszeiten, was der Bildschärfe dann zuträglich ist.

Iso 12500 - F 1.7 - 1/100sec
(Um eine Stufe aufgehellt, entspricht etwas ISO 25000)
Auch lassen sich die Dateien meiner Meinung nach gutmütiger bearbeiten. Gerade beim Verschieben des Schwarzpunktes sehen Bilder schnell unnatürlich aus. Bei den Dateien der Q2M kann ich hier mehr Kontrast herausholen bevor es künstlich wirkt. Das steigert sich entsprechend noch bei hohen ISO Werten. Der Unterschied ist im 1 zu 1 Vergleich vielleicht nicht bei jedem Bild sichtbar, aber mit der Zeit fällt es einfach positiv auf. Man kann es vielleicht mit dem Qualitätsunterschied zwischen APSC und Kleinbild vergleichen.
Bei der Entwicklung eines Schwarzweißbildes aus einem Farbbild ist es leicht möglich, anhand der Farbregler bestimmte (Farb-) Bereiche aufzuhellen, abzudunkeln oder anzugleichen. Diese Möglichkeit fällt hier komplett weg und kann dann nur durch aufwendiges Maskieren erreicht werden. Das erfordert gerade am Anfang ein Umdenken beim Fotografieren. Grün ist halt dunkel, genau so wie rot. Das kann ich auch hinterher nicht selektiv mit den Farbreglern korrigieren.
Wenn ich mit der Q2M unterwegs bin, nehme ich Motive, welche nur in Farbe wirken, nur noch am Rande wahr und lasse sie schnell an mir vorbeiziehen. Dadurch gehen natürlich Bilder verloren, denn ich habe ja keinerlei Möglichkeit das Gesehene auch nur ansatzweise festzuhalten. Bei einer anderen Kamera lasse ich mich da leichter ablenken und „nehme“ auch mal ein Farbmotiv mit. Man weiß ja nie…
Vielmehr sucht hier mein Blick ständig fast automatisch nach Licht, Schatten und Kontrast um mein Motiv in Szene zu setzen und ich bin regelrecht wie mit Scheuklappen voll darauf fokussiert. Es ist erstaunlich wie viele Möglichkeiten und Details man plötzlich entdeckt, wenn man Farbe jedwelcher Art zu 100% aus seiner Motivsuche ausgeschlossen hat. Und hier gewinne ich dann vielleicht das ein oder andere „verlorene“ Bild wieder zurück.
Mich hat das im letzten Jahr soweit geschult, dass ich meistens die Helligkeitswerte der Farben meiner Umgebung zielsicher einschätzen kann und so das Bild fertig komponiert habe, bevor ich die Kamera hochhebe und benötige dadurch den elektronischen Sucher oder den Monitor nur noch für das eigentliche Framing. Die Schwarzweißumwandlung des Gesehenen spielt sich quasi schon vorab im Kopf ab. Früher habe ich öfter mal durch den elektronischen Sucher geschaut ob das Motiv ohne Farbe wirkt.
Ich würde mir wünschen, dass sich andere Hersteller auch mal an das Thema wagen und etwas mehr (bezahlbarere) Vielfalt auf den Markt bringen. Wie man herauslesen kann, ist viel der Faszination vom Gefühl beim Fotografieren geprägt. Und sicher empfindet das jeder etwas anders. Wer also Interesse an einer Monochrom (M oder Q) hat, sollte möglichst versuchen das Objekt der Begierde vorher einmal irgendwo ausgiebig zu testen. Das Konzept von Leica „sich auf das Wesentliche konzentrieren“ beinhaltet eben auch, dass die Kameras neben der fehlenden Farbe auch technisch vielleicht nicht alles können was man sonst so gewohnt ist. 
Iso 10000 - F 1.8 - 1/250sec

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