Zuerst einmal weiß ich selbstverständlich, dass Schwarz und Weiß laut Definition gar keine Farben sind. Aber ich fand ich den Titel einfach cool. ^^ Mittlerweile fotografiere ich seit über einem Jahr ausschließlich farblos und daher wollte ich auch einmal für mich selbst beantworten, warum mich das so fesselt.
Dem Klischee, dass echte Streetphotography schwarz/weiß zu sein hat, kann ich recht wenig abgewinnen. Großartige Künstler wie Siegfried Hansen, Pia Parolin, Achim Katzberg, (um mal ein paar deutsche Fotograf*innen zu nennen) und viele andere zeigen, wie toll das Leben in Farbe aussieht. Ich habe eher das Gefühl, dass zeitgenössische Straßenfotografie sogar immer seltener rein SW ist. Zumindest kenne ich wenige Fotografen, die sich Farbe komplett verweigern.
Der Hauptgrund für mich ist, ich mag eine klare, reduzierte Bildsprache. Im Gegensatz dazu stehen eigentlich unsere Städte. Sie sind vielfältig, chaotisch, vollgestopft mit allem Möglichen und bescheren zusätzlich eine farbig, recht unstrukturierte Bühne für Bilder. Viele interessante Motive würden eigentlich kategorisch bei meiner Art der Fotografie wegfallen.
Wenn ich nun also die Farbebene herausnehme, kann ich viel ruhigere und geordnetere Bilder kreieren, das Chaos sozusagen vorab reduzieren. Viele Farben sind sich in der SW-Umwandlung so ähnlich, dass sie kaum als unterschiedlich wahrgenommen werden. Das gibt mir eine viel größere Freiheit bei der Bildkomposition, da ich unpassende Elemente viel harmonischer integrieren kann, ohne dass sie wirklich stören.
Ich bin überzeugt, dass die meisten meiner Fotos in Farbe deutlich an Wirkung verlieren würden, wenn sie denn überhaupt noch funktionieren. Wobei es eigentlich nur selten gut klappt ein Bild in SW umzuwandeln das man ursprünglich in Farbe aufgenommen hat. Nicht auf technischer Ebene gesehen. Natürlich benötigt man keine Kamera mit Monochromsensor. Ich meine damit, dass man ein Motiv, dass man ursprünglich fotografisch in Farbe umsetzen wollte, nicht zwangsläufig auch in SW funktioniert. Wer kennt nicht den dämlichen Spruch: "Wenn dein Bild nix ist, dann mach es halt SW". (Ist so ähnlich wie "Wenn das Essen nix geworden ist, überbacke es mit Käse" - Wobei letzteres aber fast immer funktioniert. Hehe). Ich weiß eigentlich zu 99% schon bei der Aufnahme, ob das Bild später in SW oder Farbe ausgearbeitet wird.
Was ich als essentiell für gute Schwarzweißbilder halte:
Es darf nicht grau sein!
Es mag Ausnahmen geben (Nebel fällt mir hier spontan ein.) aber eigentlich muss es einfach "knallen"!
Also wirklich schwarze und/oder weiße Elemente enthalten. Dabei kann man die Regler gerne ein wenig weiter schieben, wie man das bei der Farbversion tun würde. Abgesoffen Tiefen und ausgefressen Lichter müssen nicht unbedingt ein Makel sein. Gerade beim gedruckten Bild sind richtig schwarze Bildteile einfach nur gut und sehen edel aus. Den starken Kontrast bei meinen Bildern würde ich in Farbe sicher häufig deutlich zurücknehmen müssen.
Zusätzlich mag ich die Surreale Komponente des Schwarzweiß. Eine farblose Welt sind wir nicht gewohnt und unser Auge wird herausgefordert die Szene zu erfassen und zu interpretieren. So entsteht zusätzliche Spannung und vielleicht bleibt der Betrachter dadurch den Ticken länger am Bild hängen um es nicht zu „überblättern“ und sich anschließend wirklich damit zu beschäftigen. Mir geht es jedenfalls regelmäßig so, dass ich z.B. bei Instagram durch die Bilder scrolle und häufig bei Schwarzweißbilder eher einen Moment innehalte.
Das Weglassen der Farbe ermöglicht es mir aber vor Allem mich voll auf die Motivsuche zu konzentrieren. Das hat sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger antrainiert und ich muss auch gar nicht mehr überlegen wie das Bild in SW aussieht. Anstatt Rot, Blau, Grün, sehe ich Licht, Schatten, Linien, Gesichter, Kleinigkeiten und vieles andere. Mein Auge wird nicht abgelenkt und ich bin fokussierter auf meine Themen. Für mich ist hier mittlerweile weniger mehr.
Klar entgehen mir Motive die nur in Farbe wirken, aber alles kann man eh nicht fotografieren. Ich habe damit meinen Frieden geschlossen. Es sind auch so schon viele, viele Themen, nach denen ich Ausschau halte und die mich ehrlicherweise auch mehr reizen.
Natürlich ist bei der SW-Fotografie auch ein wenig Nostalgie mit dabei. Das will ich ja gar nicht leugnen. Daher kann in die nächsten Zeilen gerne ein bischen Selbstironie von meiner Seite aus hineininterpretiert werden und das ganze mit einem Augenzwinkern gelesen werden.
Die Anfänge der mittlerweile fast 200 Jahre der Fotografie waren nun einmal schwarz weiß. Farbfilm wurde eigentlich erst in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts für die Masse verfügbar. Aber selbst da setzte er sich nur nach und nach durch und bis heute werden für analoge Kameras Schwarzweißfilme hergestellt.
Auf Grund dessen sind die ikonischen Bilder der alten Großmeister natürlich nicht in Farbe und so verbinde vielleicht nicht nur ich beides automatisch miteinander. Auch in Opa´s alter Leica Minilux steckt natürlich ein Schwarzweißfilm, weil das eben so gehört.
Damit wird aber auch ungerechtfertigt vielleicht die Wertigkeit bei mir subjektiv ein wenig überhöht. Bei Schwarzweißbildern schwingt dieser Charme der Geschichte mit und gibt den Bildern immer noch ein wenig Extrawürze... macht sie für mich einen Ticken mehr besonders. Vielleicht sogar edler.
Vivian Maier, Ansel Adams, Henri Cartier-Bresson und wie sie alle heißen... wer weiß wie sie sich entschieden hätten wenn es damals schon Farbfilm gegeben hätte und mit was wir Schwarzweißfotografie heute in Verbindung bringen würden.