Einstieg in die Streetphotography
Da der Einstieg in die Streetphotography bei mir noch nicht so lange her ist, möchte ich einmal versuchen ein paar Punkte aufzuarbeiten, die mich vor allem am Anfang beschäftigten haben. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen ja ein wenig die Angst zu verlieren oder ich schaffe es den alten Füchse unter den Strassenfotografen ein Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern.
Rechtliche Lage in Deutschland
Kurz und knapp… keine Ahnung.
Etwas länger (Achtung, wirklich nur meine persönliche Meinung! und garantiert keine Rechtsberatung!)...
Man kann verschiedenste Quellen finden und für jede Ansicht ist etwas dabei. Grundsätzlich scheint das fotografieren fremder Personen an sich nicht verboten. Das veröffentlichen von Bildern, in denen Personen eindeutig erkennbar und Hauptbestandteil des Bildes sind, ist grundsätzlich nicht erlaubt. Das Recht auf Kunstfreiheit KÖNNTE das aufheben. Das wird aber im Zweifelsfall jeder Richter anders interpretieren.
Als Beispiel dafür empfehle ich folgenden Artikel. (Klage gegen Espen Eichhöfer). Das Urteil des Verfassungsgerichtes gibt ein wenig mehr Rechtssicherheit wie bisher. Trotzdem ist es jeweils eine Einzelentscheidung sollte es zur Klage kommt. FAZ Artikel:
Für mich habe ich daraus folgende Schlüsse gezogen und veröffentliche im Zweifel lieber nicht.
1. Ich überlege immer ob es für mich in Ordnung wäre, selbst so abgelichtet zu werden.
2. Ich zeige erkennbar keine Kinder!
3. Ich zeige erkennbar keine Obdachlosen, etc.
4. Ich akzeptiere, dass ich Bilder lösche, wenn mich jemand anspricht.
Ansonsten habe ich eben eine Rechtsschutzversicherung und denke dass ein Rechtsstreit überschaubar sein wird.
Solltest du Angst vor Konsequenzen haben oder einfach nicht gegen (vermutlich) geltendes Recht verstoßen wollen, lass es Menschen erkennbar zu abzulichten. Du wirst schon beim fotografieren nervös sein und das wird man dir anmerken, bzw. es wird keine Freude dabei aufkommen.
Das heißt aber nicht, dass du gar keine Streetphotography machen kannst. Auf den meisten meiner Bilder sind die Personen nicht zu erkennen. Sei es auf Grund der Lichtsituation, der Entfernung, des Fokus oder einfach weil sie von hinten fotografiert sind. Das muss nicht mal langweilig sein wie ich finde. Mit ein wenig Witz gelingen auch von der Rückansicht tolle Bilder.
Es gibt zig Möglichkeiten. Und jeder kann sich dabei raussuchen, was für ihn am besten passt.
Habe keine Angst!
Nachdem ich den Punkt Rechtslage für mich entscheiden hatte, ging es auf die Straße. Und da wurde mir erst einmal richtig mulmig. Gar nicht so einfach die Kamera auf fremde Personen zu richten.
In Deutschland ist es, neben der rechtlichen Situation, allgemein nicht wirklich gerne gesehen im öffentlichen Raum zu fotografieren. Ich habe das Gefühl, dass fast überhaupt niemanden fotografiert werden möchte. Selbst im privaten Umfeld. Zumindest nicht mit einer Kamera, Handy ist da unproblematischer. *Lach* Das hat sich vermutlich bei den meisten von uns festgesetzt und es dauerte zumindest bei mir auch einige Zeit, die Blockade im Kopf loszuwerden und trotzdem zu fotografieren.
Denn eigentlich ist es recht einfach. Die Wahrheit ist, es bekommt kaum jemand mit, dass er fotografiert wird. Und selbst wenn, was soll passieren? Mir ist es jetzt genau zweimal passiert, dass mich jemand mit der Frage angesprochen hat, ob er auf dem Bild sei. Ich habe erklärt was ich da mache, das Bild dann gelöscht und gut war.
Wichtig ist einfach nicht nervös zu wirken und schnell zu arbeiten.. Am Anfang hat es mir geholfen, eine Szene zu suchen und dann zu warten, bis jemand „ins Bild läuft“.
Hier links im Bild habe ich an der tollen Struktur in Liége einfach gewartet. Nachdem ein paar Leute durchliefen, kam dieser Jugendliche mit Kappe, Tasche und Kopfhörer und ich habe mein Bild im Kasten gehabt. Wichtig ist vielleicht, dass man nicht einfach nur wartet bis irgendjemand ins Bild läuft, sondern zumindest auf eine interessante Person wartet.
Diese Art finde ich einen super Einstieg um die Scheu Stück für Stück abzulegen. Auch lernt man ein wenig geduldiger zu sein. Denn warten lohnt sich öfter als man denkt.
Wenn ich an einem belebten Platz warte und das Gefühl bekomme, dass mich die umherstehenden Leute anschauen und sich fragen was ich tue, gehe ich gerne einmal um den Block un komme später wieder. Hat den Vorteil, dass man auch die Gassen und Ecken um den eigentlichen Spot kennenlernt.
Planlos verloren
Nachdem ich die tollen Werke all der Strassenfotografen gesehen hatte, wusste ich gar nicht so wirklich was ich denn nun alles fotografieren sollte. Mit der Kamera in der Hand lief ich planlos durch die Stadt und war komplett reizüberflutet ob der tausenden Motive, die an jeder Ecke warteten. Wie fängt man also an und was macht man.
Nach relativ kurzer Zeit habe ich mich dann einfach auf eine lange Treppe gesetzt, ein paar Bildausschnitte in Ruhe gesucht und Beine fotografiert. Dann das Gleiche auf einer Bank, vor der ein tolles Straßenmuster war. Mit der Belichtungszeit und Blende gespielt und viele Bilder geschossen. Dann an einem Geländer angelehnt über Gitter und Mauern den örtlichen Bahnhof mit seinem Treiben.
Das sind die ersten Bilder, die bei mir auf der Straße entstanden sind und alle hatten etwas gemeinsam.
Linien!
Denn richtig gute Straßenfotografie ist echt schwer und erfordert viel Training, bis der Blick geschult ist. Und mir hat es daher sehr geholfen, mich erst einmal von Linien quasi leiten zu lassen, dort Motive zu suchen und dann erst Stück für Stück neue Bereiche der Streetphotography zu erschließen.
Die Kamera
So richtig gepackt hatte es mich, nachdem ich bei YouTube die Reportage New. York Streetphotography gesehen hatte. Und schnell war klar… für richtige Strassenfotografie braucht man eine Leica und ein 35mm oder 50mm Objektiv!
Äh… nein… braucht man nicht. Es ist vollkommen Wurscht!
Es geht wunderbar mit dem Smartphone, der Kompaktkamera, der hypermodernen Sony und auch mit der manuellen Leica. Man kann quasi das nehmen, was einem am meisten Freude bereitet. Ich hatte bis jetzt Fuji XT3, Fuji XPro3, Nikon Z7, Ricoh GRIIIx, Leica Q2 Mono, Leica M240 und IPhone mit auf der Straße. Mit allen sind tolle Bilder gelungen.
Ein paar Punkte, die hilfreich sind, aber nicht überbewertet werden sollten.
1. Eine kleine Kamera ist natürlich viel unauffälliger und man sieht eher wie ein Tourist aus. Ich hatte aber oft das Gefühl, dass das einen eher selbst beruhigt, als dass es die Menschen herum interessiert hat.
2. Eine leise Kamera ist auch deutlich unauffälliger. Aber schon mal versucht aus drei Metern in der Stadt einen Verschluss zu hören? Aber auch hier beruhigt das einen selbst ein wenig.
3. Viele Megapixel sind super zum croppen. Manchmal kann man einfach nicht näher ran. Da finde ich es wirklich toll auch mal ein wenig „zoomen“ zu können. Aber wenn ich schaue bei wievielen der Bilder das vorkommt, würde ich mal schätzen unter 3%.
4. Super finde ich ein gutes Rauschverhalten. Schnelle Verschlusszeit und Blende 8 oder nächtliche Strassenszenen, schnell ist men bei ISO 6400+
Dann bleibt noch die Brennweite. Ich habs genau falsch herum angefangen. 50mm, da muss man ja nicht so weit ran und hat es einfacher. Hab ich gedacht…
Nehmt mal ein Zoom, dreht das auf irgendwas zwischen 28mm und 35mm, gebt die Kamera jemand anderem und lasst euch fotografieren. Dabei vielleicht nicht zentral, sondern so, dass ihr auf den Drittellinien seid und schaut euch an, wo dabei die Kamera hinzeigt. Jetzt macht das Gleiche mal mit 50mm+.
Jaaaa, genau. Je weitwinkliger, desto weniger bekommt man mit, das man im Bild ist. Vor allem wenn man nahe an der Kamera steht. ;)
Ich mag momentan die 28mm am liebsten!
Jeder Schuss ein Treffer!
Ganz im Gegenteil. Der Ausschuss ist einfach hoch. Gerade am Anfang habe ich mir die Frage gestellt, warum ich so wenige gute Bilder mit nach Hause gebracht habe und der Großteil in den Mülleimer gewandert ist.
Auch heute ist das noch so. Wenn ich jedes Mal erst darüber nachdenke, ob es sich lohnt ein Bild zu machen und die perfekte Komposition suche, ist der Moment längst vorbei und die Chance vertan. Also fotografiere ich einfach und so landen automatisch viele Bilder auf der Speicherkarte. (Wie man dem Ganzen gut Herr werden kann, habe ich im Artikel Bildauswahl und Workflow schon einmal skizziert.)
Ich glaube das ist auch nicht nur bei mir. In so vielen Interviews habe ich es schon gehört.
Deshalb nicht verzweifeln und versuchen zu warten bis man das perfekte Bild vor der Linse hat. Oben hatte ich ja schon einmal geschrieben, dass das Auge auf Motive quasi „trainiert“ werden muss. Außerdem sind interessante Szenen deutlich seltener als man denkt. Daher sind für mich Bilder welche ich lösche nicht für die Tonne, sondern ich sehe es mehr als Übung.
Es mag Ausnahmen geben. Aber wenn ich nach einem Tag 50 gute Bilder habe, liegt wahrscheinlich meine Messlatte für die Qualität deutlich zu niedrig.
Das waren glaube ich im Großen und Ganzen die fünf Themengelder, die mich anfangs bewegt haben und auf die ich erst im Laufe des letzten Jahres so nach und nach meine persönlichen Antworten gefunden habe.
Los, schnappt euch eure Kamera und macht euch raus auf die Jagd nach guten Bildern!